Es ist jetzt genau 5 Jahre her, da machte die christliche Sekte der „Zwölf Stämme“ wochenlang Schlagzeilen in der Presse und den Medien. Der Vorwurf: Die Bibelfundamentalisten sollen in Deutschland ihre Kinder misshandeln und durch Schläge und andere physische Misshandlungen „gefügig“ machen. Ein Aufschrei ging durch Deutschland, Dutzende Kinder der Sekte wurden in Obhut genommen, Haftstrafen für die Eltern folgten und die Presse stürzte sich auf die „Zwölf Stämme“ (HIER). Was aber ist aus der fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft und vor allem auch deren Kindern 5 Jahre danach geworden? Die Antworten sind leider wenig erfreulich, wie Ihr es hier erfahren werdet. Antworten, die alle Eltern unter Euch vielleicht besser nicht lesen sollten …
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Fundamentales Christentum
Fundamentalisten gibt es in jeder Region. Das Christentum macht da keine Ausnahme, auch wenn im Deutschen Raum solche Gruppe eher selten sind. Nicht wie etwa in den USA, wo Bibelfundamentalisten überaus weit verbreitet sind.
So ging im September 2013 auch ein Aufschrei durch die Deutsche Presselandschaft und Bevölkerung, als die christliche Sondergruppe „Zwölf Stämme“ aus Bayern in den Fokus der Öffentlichkeit rückte. Schwere Kindesmisshandlungen, wie Prügelstrafen oder sogar Züchtigungen mit dem Stock, wurde ihnen vorgeworfen. Es folgten Razzien und den Eltern von etwa 40 Kindern der Sekte wurde (meist vorläufig) das Sorgerecht entzogen. Einige Eltern bekamen in späteren Gerichtsverfahren Haftstrafen ohne Bewährung.
„Modernen“ Strömungen oder Weltanschauungen sind in nach Ansicht der Fundamentalisten tabu. Natürlich und vor allem auch bei der Erziehung ihrer Kinder, die streng nach den Lehren der Bibel aufwachsen sollen. Die staatliche Schulpflicht wird unter anderem von ihnen deswegen abgelehnt, da die Kinder dort Sexualkundeunterricht haben oder auch die Evolutionstheorie lernen. Evolution steht im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte der, was auch der Kreationismus sagt.
Gerade der Kreationismus ist in den USA oder Australien weit verbreitet. Das heißt, dass hier beispielsweise die Schulkinder gewarnt werden müssen, dass die Evolution nur eine „Idee“ sei. Oder auch, dass in den Lehrbüchern die Schöpfung vor wenigen Jahrtausenden durch Gott gleichberechtigt mit der Evolutionstheorie angeführt werden sein muss.
Verständlich, dass die Bibelfundamentalisten der „Zwölf Stämme“ deshalb schon früh in Deutschland mit den Behörden in Konflikt gerieten, als diese ihre Kinder nicht mehr in die Schule schickten. Trotz Schulpflicht wollten die Eltern ihre Kinder daheim unterrichten. Treu nach der Bibel und nach deren Ansichten über Sitte, Gesetzt und eben auch – Bestrafungen. Immerhin lautet auch der Teufel überall, wie es fundamentale Christen oft glauben und meinen.
Auf diesem Blog habe ich HIER über die „Zwölf Stämme“ und ihren Glauben umfangreich berichtet.
Aber was geschah nach dieser medialen und juristischen „Hetzjagd“ gegen die Gemeinschaft, wie sie es in ihren Augen ansehen? Leider nichts Gutes …
Die „Zwölf Stämme“ wanderten aus, aber …
Nachdem es eine ganze Reihe Gerichtsverfahren gegen Eltern der Sekte in Bayern und Sachsen-Anhalt und Urteile wegen Kindesmisshandlungen und Sorgerechtsverfahren gegen sie gab, resignierten die Mitglieder der „Zwölf Stämme“. Nicht etwa, da sie ihre Fehler einsahen, sondern da sie dem Deutschen Staat nicht mehr trauten. Sie fühlten sich unfair behandelt und waren sich keiner Schuld bewusst. Bis heute ist das so, wie es in zahllosen Texten auf deren Internetseite zu lesen ist.
Etwa in dem Sinne, dass schließlich die „Zwölf Stämme“ selber nichts dafür können, dass es in Deutschland Schulpflicht gibt und die Prügelstrafe an Kindern verboten ist. Daran änderte auch die Tatsache nicht, dass beispielsweise das Oberlandesgericht in Nürnberg am 15. Juni 2015 verschiedenen Eltern das Sorgerecht entzog, da weitere Gewalttätigkeiten gegen die Kinder zu befürchten wären. Auch ein eigener Schulbetrieb wurde der Sekte natürlich untersagt, lediglich eine „private Ergänzungsschule“ dürfe sie betreiben.
Was also macht eine christlich-fundamenalistishe Sekte nach dieser „Hetzjagd“ gegen sie und ihre Brüder und Schwestern? Nicht etwa ihre Methoden und Lehren einmal überprüfen, sondern aus Deutschland auswandern. Und war in ein Land, in dem man „maßvoll“ ungestraft die Kinder züchtigen und schlagen kann.
Ungeheuerlich, aber das taten die „Zwölf Stämme“ ab September 2015 tatsächlich.
Im Spätsommer 2015 teilte die Gruppe mit, dass sie nach Tschechien und auch Frankreich auswandern werde. Sie besäßen zum Beispiel nahe Prag bzw. in Skalná Grund und Boden, wo sie sich neu ansiedeln wollen. Das begann schon 2013, als die Behörden den „Zwölf Stämmen“ vorwarfen, dass sie etwa zehn schulpflichtige Kinder von ihrem Anwesen in Dolchau im Altmarkkreis Salzwedel nach Tschechien gebracht hätten.
Zum Jahresbeginn 2017 zogen die letzten Anhänger der Sekte mit ihren Kindern aus Deutschland fort. In Tschechien sei es einfacher, „Kinder zu Hause zu unterrichten und nach ihren Wertvorstellungen zu erziehen“, hieß es damals. Die „Zwölf Stämme“ schrieben am 13. September 2015 selber dazu:
„Wir müssen leider zum traurigen Fazit kommen, dass wir hier nicht mehr ein Leben in Verantwortung vor unserem Schöpfer führen können.
So brechen wir nach 20 Jahren Präsenz in diesem Land unsere Zelte ab, um in der Tschechischen Republik und anderen europäischen Nachbarländern eine neue Heimat zu finden. Wir hoffen, dort wieder ein Zuhause für Familien zu schaffen, wo wir unbehelligt unser friedliches und gemeinschaftliches Leben nach Gottes Wort leben können.„
„Gut angekommen in Tschechien…“ schrieben die Fundamentalisten am 8. Januar 2017 auf ihrer Webseite, als sie ihre neue Page in tschechischer Sprache vorstellten.
Weiter „züchtigen“ in Tschechien
Natürlich wehren sich die „Zwölf Stämme“ vehement, dass sie ihre Kinder geschlagen und misshandelt haben. Trotz Gerichtsurteile, verweise sie auch auf Fälle, bei denen der Nachweis nicht erbracht werden konnte. Schläge mit dem Rostrock – auch mehrfach am Tag – sei scheinbar „Gottes Wille“ bei der Erziehung von Kindern.
Es wird aber noch erschreckender – für die Kinder der Prügel-Sekte. Nachdem die Deutschen Behörden andere europäischen Länder mit Niederlassungen der „Zwölf Stämme“ in über die Vorwürfe und Verfahren hierzulande gegen sie informierten, wurden auch hier einige Prüfungen vorgenommenen. So konnte die Sekte stolz verkünden:
„Bei den Besuchen der tschechischen Behörden wurde deutlich, dass es dort noch normal ist, dass Eltern ihre Kinder zu Gehorsam und Respekt erziehen.„
Das liest sich sehr liebevoll. Gemeint ist aber, dass in Tschechien die Prügelstrafe und körperliche „Zurechtweisungen“von Kindern eben normal und straffrei sind. Kein Wunder also, dass in den Augen der „Zwölf Stämme“ in diesem Land ein Neuanfang sicher ganz ausgezeichnet funktioniert wird. So traurig das auch klingt und ist.
Mehr zum Thema auch hier:
Sehr deutlich wird Matthias Pöhlmann in einem Beitrag im „Materialdienst“ der „Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ in Berlin. Er schreibt in der „Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfrage“ (Nr. 11/2015), dass die Auswanderung nach Tschechien und Frankreich „offensichtliches Kalkül“ sei. In beiden Ländern sei es unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, dass man seine Kinder zu hause selber unterrichtet oder unterrichten lässt, so Pöhmann. Und weiter:
„Hinzu kommt, dass in Frankreich und Tschechien die körperliche Züchtigung von Kindern nicht verboten ist. So sind in Frankreich ‚leichte‘ Züchtigungen zu erzieherischen Zwecken erlaubt. In Tschechien ist die Prügelstrafe an Kindern nicht verboten. Einer Umfrage zufolge sind drei Viertel aller tschechischen Eltern Anhänger dieser Bestrafungsmethode. Wie es heißt, nehme die große Mehrheit gerne den Kochlöffel oder den Gürtel zur Hand, um die Kinder zu züchtigen.
Im März 2015 wertete das Komitee für soziale Rechte des Europarats die Tatsache, dass Frankreich Prügelstrafen für Kinder nicht völlig verboten hat, als Verstoß gegen die Europäische Sozialcharta. Auch die Tschechische Republik wurde gerügt.“
Spätestens nach diesen Worten kann sich jeder denken, warum die „Zwölf Stämme“ sich gerade diese Länder als neue Heimat auswählten.
Sorgen um die Kinder der Sekte
Auch Gabriele Hoidn, Sprecherin der Kreisbehörde des Landratsamt Donau-Ries, von wo die Sekte abwanderte, befürchtet, dass die Gruppe jetzt jeder Kontrolle entzogen ist. Man sieht diese Entwicklung mit Sorge und nicht mit Erleichterung, dass die Glaubensgemeinschaft ihren Landkreis verlassen habe, so die „Süddeutsche Zeitung“ am 4. Januar 2017.
Matthias Pöhlmann fand in seinem Beitrag 2015 hierzu warnenden Worte:
„Im europäischen Ausland dürften sie nun von der staatlichen Duldung des häuslichen Unterrichts profitieren, womit die Abschottung der Kinder und Jugendlichen wohl weiter vorangetrieben werden wird. Schwerer wiegt jedoch die Züchtigung von Kindern mit der Rute innerhalb der Gemeinschaft, die in den beiden Nachbarstaaten keine Sanktionen befürchten müsste.„
Damit endet also das traurige Kapitel der Kinder der „Zwölf Stämme“ nicht, sondern verlagert sich nur aus unserem Blickenkel. Und entzieht sich dadurch den Deutschen Gesetzten zum Schutz des Kindeswohls in Länder, in denen auch mal „gezüchtigt“ werden darf …
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Lars A. Fischinger
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