Auf den Spuren der Anunnaki, Teil #1: Von den göttlichen Ratsversammlungen in die Unterwelt – von Zecharia Sitchin in die Prä-Astronautik

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Auf den Spuren der Anunnaki
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Auf den Spuren der Anunnaki (Bild: Z. Sitchin / L.A. Fischinger)

Nicht nur in der Modeindustrie, in der Musikwelt oder sogar beim Essen kennt man Moden, Trends und „Kultiges“. Auch Themen aus der Mythologie können mal mehr und mal weniger im Trend liegen und hip sein. So vor allem die Götter „Anunnaki“, die zum Beispiel laut dem einfachen Nachschlage-Duden „Die Religionen“ (Mannheim 1980) die „unterirdischen Götter der babylonisch-assyrischen Religion“ gewesen sein sollen. Das Wort sei akkadisch und gehe auf den sumerischen Allgemeinbegriff für „Götter“ zurück. Und doch ist das Thema der Anunnaki in der Ancient-Aliens-Szene und der Prä-Astronautik nicht mehr wegzudenken. Warum das so ist, erfahrt Ihr in diesem zweiteiligen Artikel.

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Liebe Freundinnen & Freunde des Phantastischen!

Diese Bezeichnung Anunnaki scheint heute unlängst ein Synonym für die antiken Raumfahrer schlechthin geworden zu sein. Gibt man beispielsweise den Begriff „Anunnaki“ in eine Suchmaschine im Internet ein, liefert diese über 820.000 (englische) Treffer. Ohne Zweifel eine ganze Menge Suchergebnisse für irgendwelche Götter aus dem früheren Irak, von denen etwa der oben genannte „Duden“ – aber auch andere Nachschlagewerke zur Mythologie – mehr als nur wenig berichtet. Wie kommt es also, dass die Prä-Astronautik und sogar eine ganze Reihe „Esoterik-Themen“ ohne diese Anunnaki heute nicht mehr auszukommen scheint?

Die Geburt der Anunnaki

Die Geburt der Anunnaki in der Grenzwissenschaft begann im Jahr 1976, als der US-Autor Zecharia Sitchin sein erstes Prä-Astronautik-Buch vorlegte. Es trug den Titel „The Twelfth Planet“ (in deutsch 1979 als „Der zwölfte Planet“) und lag Anfang 2010 bereits in der 45. Auflage vor. „Wann, wo, wie die Astronauten eines anderen Planeten zur Erde kamen und den Homo sapiens schufen“, will Sitchin darin seinen Lesern erklären. Und natürlich auch das „Wer“. Denn bei den Astronautengöttern handele es sich eben um diese Anunnaki (Anunnaku) aus der mesopotamischen Mythologie. Es seien Außerirdische, die uns ähnlich sähen und den Menschen mittels genetischer Manipulation erschaffen hätten.

Zecharia Sitchin sein erstes Buch von 1976
Zecharia Sitchin sein 1. Buch von 1976/79 – Ursprung der Anunnaki in der Prä-Astronautik

Sie kämen, so Sitchins Kernaussage weiter, von einem bisher unbekannten Planeten unseres Sonnensystems, der bisher von uns Menschen nur nicht entdeckt wurde. Dieser von den Fremden bewohnte Planet heiße „Nibiru“ und kreise auf einer stark elliptischen Umlaufbahn in 3.600 Jahren einmal um unser Zentralgestirn. Das alles hätte schon das uralte Volk der Sumerer aus dem südlichen Zweistromland (Iran/Irak) vor vielen Jahrtausenden berichtet. In allen seinen folgenden Büchern seit 1976 spielen dabei diese Anunnaki eine sehr große Rolle. Eigentlich die Hauptrolle. Obwohl „Anunnaki“ eigentlich überhaupt keine Bezeichnung des Volkes der Sumerer ist, sah Sitchin in diesen Göttern eine Art „sumerische Ancient Aliens“.

Soweit der im Kreise der Prä-Astronautik bekannte Autor Zecharia Sitchin, der bis zu seinem Tode zahlreiche Bücher zu diesem Thema verfasst hat. Erst durch seine Veröffentlichungen und auch Vorträge wurden diese Anunnaki nach und nach ein fester Teil der gesamten Welt der Prä-Astronautik. So wie Sitchin auch der Erfinder der Nibiru-Idee ist, ist er ursprünglich auch alleine für die Anunnaki in der Grenzwissenschaft „verantwortlich“.

Die Anunnaki als Selbstläufer in der Grenzwissenschaft

Doch mittlerweile haben diese Anunnaki-Götter ein gewaltiges Eigenleben entwickelt. Sie sind eindeutig zu einem Selbstläufer der Mysterien der Welt geworden, der sich von den Kernaussagen des US-Autors schon lange verabschiedet hat. Vor allem im Internet kursieren leider die unsinnigsten Vermutungen, Aussagen und Lügen über sie bzw. über das Thema. Mal heißt es, sie seien Alien-Riesen, mal eine Kreuzung aus Mensch und Reptil, mal sind es blonde Arier und eigentlich, bringen wieder andere vor, stammen sie auch nicht von Sitchins angeblichen 12. Planeten Nibiru, sondern vom Sirius oder anderen Sternsystemen. Auf einer Internetseite heißt es sogar, ihr Heimatplanet sei kein wirklicher Planet, sondern ein künstlicher „Kampfstern“ wie in den Science-Fiction-Filmen der „Star Wars“-Reihe. Alles Spekulationen, Ideen, Erfindungen und Aussagen, die weder mit Zecharia Sitchins Kernideen noch mit den Astronautengöttern selbst auch nur das Geringste zu tun haben. Und leider auch nichts Sinnvolles zur Debatte um die Idee der Götter der Sterne beitragen, wie es in dem Buch „Die Akte 2012“ (2010) umfassend dargelegt wurde.

Aber diese Götter oder Himmelswesen hat Zecharia Sitchin nicht erfunden, sondern um diese „nur“ spannende Geschichten im Sinne der Prä-Astronautik gesponnen. Die Völker des Nahen Ostens kannten diese Himmlischen tatsächlich, wie es bis zum heutigen Tag ihre Schriften offenbaren. In der Mythologie der Kulturen Mesopotamiens waren diese Anunnaki (die auch als Anunnaku bezeichnet werden) eine Gruppe von Götterwesen. Sitchin interpretiert das Wort als „Jene, die vom Himmel auf die Erde kamen“, womit er natürlich Außerirdische meinte. Etablierte Sumerologen und Altertumsforscher dagegen deuten sie schlichter als „unterirdische/irdische Gottheiten“. Skeptiker der Ideen der Astronautengötter laufen hin und wieder natürlich auch gegen die Interpretationen der Anunnaki als Aliens Sturm.

Diese Kritiker wenden dabei zu Recht ein, die Begriffe Anunnaki oder auch die sumerischen (und nicht identischen) Anunna seien bloße „Sammelbezeichnungen“ für eine Vielzahl namenloser Götter. Weiter argumentiere diese, dass (wie oben gesehen) erst der zweifelhafte Autor Zecharia Sitchin diese namenlosen Götter in die prä-astronautische Welt mit ebenso zweifelhaften Aussagen brachte. Auch das ist richtig.

Diese Einwände berühren allerdings die eigentliche Idee der Prä-Astronautik, die teilweise in den Anunnaki ja eben uralte Astronauten aus dem Kosmos sieht, nicht. Denn diese fragen ja: „Wer waren diese Götter, Außerirdische?“ Erzählen uns versunkene Zivilisationen in ihren Texten also von irgendwelchen göttlichen Wesen am, aus oder vom Himmel, die in diesem Fall von den Menschen (meist) keine Namen bekommen haben – bedeutet das längst nicht, dass es deshalb keine Raumfahrer der Antik gewesen sein könnten. Mit Argwohn sollte man jedoch die weit verbreitete Unart betrachten, gleich jeden möglichen Prä-Astronaut als Anunnaki zu bezeichnen!

Dr. Zahi Hawass: Er kennt als Archäologe die sensationelle Ruinen von Göbekli Tepe nicht! (Bild: gemeinfrei/WikiCommons / L.A. Fischinger)
VIDEO: Dr. Zahi Hawass: Er kennt als Archäologe die sensationelle Ruinen von Göbekli Tepe nicht! (Bild: gemeinfrei/WikiCommons / L.A. Fischinger)

Übrigens machte der Archäologe Klaus Schmidt 2006 mit der Idee von sich reden, diese namenlosen Götter, die später die Grundlage der mesopotamischen Theologie bildeten, könnten bereits vor über 12.000 Jahren im ersten Tempel der Menschheit auf dem Hügel Göbekli Tepe (im Südosten der heutigen Türkei) verehrt worden sein. Die Bauten auf dem Göbekli Tepe gelten als die ältesten Steinheiligtümer der Menschheit überhaupt. In der Prä-Astronautik-Szene ging diese Aussage von Schmidt unter. Eine Aussage, die jedoch auch nur eine Spekulation des seit vielen Jahren auf dem Göbekli Tepe arbeitenden Archäologen ist.

Haben also die Sumerer, die sich als Zivilisation ab etwa dem 4. Jahrtausend vor Christus im Südirak entwickelten, Astronautengötter gekannt, die sie allgemein Anunnaki nannten? Eben so, wie es Sitchin bis zu seinem Tode am 9. Oktober 2010 publizierte.

Nicht ganz!

Die Anunnaki, die Götter und de Sumerer

Anunnaki ist eben kein Name der alten Sumerer aus Mesopotamien. Es ist ein Begriff der späteren Babylonier, Akkader und auch Assyrer – nicht des Volkes der Sumerer. Auch werden immer wieder Abbildungen von menschlichen Wesen mit Flügen und zum Teil den Kopf eines Vogels gezeigt, die als „sumerische Anunnaki“ angesehen werden (s. Bild unten). Gleiches gilt für die berühmten Rollsiegel aus dem Zweistromland. Auch das ist nicht ganz richtig, da zum Beispiel diese sehr weit verbreiteten Abbildungen der „Flügelmenschen“ von den Assyrern stammen. Zu sehen sind diese Darstellungen beispielsweise in Museen in London und Berlin. Trotz dieser „Erbsenzählerei“ kannten aber selbstverständlich auch die Sumerer zahlreiche Götterwesen. So finden wir in dem sumerischen Pantheon die Götter der „Anunna“, die aber nicht identisch mit den Anunna-ki der späteren Kulturen der Region sein sollen. Wenn also Sitchin von seinen „sumerischen Anunnaki“ sprach, und wir dies heute auf zehntausenden Internettexten finden, ist das falsch.

Darstellungen der Assyrer - keine "sumerischen Anunnaki" (Bild: L.A. Fischinger)
Darstellungen der Assyrer – keine “sumerischen Anunnaki” (Bild: L.A. Fischinger)

Das Volk der Sumerer kannte also diese Anunna, was fraglos sehr stark an die Anunna-ki anklingt. Diese waren Götter im Himmel und bildeten dazu eine Art Beraterstab der obersten Götter, waren Richter und auch bei himmlischen Versammlungen zur Entscheidungsfindung anwesend. Ebenso waren diese Himmlischen bei der Erschaffung des Menschen durch die Götter beteiligt. Noch unter diesen Anunna standen in der Hierarchie die Igigu-Götter. Diese standen in ihrem Frondienst und zettelten deshalb später eine Rebellion an, an dessen Ende die Erschaffung der Menschheit beschlossen wurde. Ähnliches wird aber auch über die Anunnaki im Sinne von Göttern der Unterwelt berichtet. Auch in diesen Überlieferungen müssen die Igigu arbeiten; hier eben für die Anunnaki.

Dass den Anunna der Sumerer später die Silbe „KI“ für „Erde“ oder „Unterwelt“ angehängt wurde zeigt, dass sie nicht direkt identisch sind. Die Anunna trugen bei den Sumerern den Zusatz „Große der großen Götter“, während die Anunnaki der Akkader „Götter der Erde“ bzw. „Götter der Unterwelt“ waren. Demnach eindeutig einen niederen Rang im Pantheon der Götter hatten. Dennoch besteht wohl kein Zweifel, dass die sumerischen Anunna-Gottheiten für die Anunnaki Pate standen. Zumindest sind diese daran angelehnt, aber nicht gleichzusetzen. Verschmelzungen, Veränderungen und auch Übernahmen von Göttern mit ihren Funktionen waren bei den Zivilisationen im Nahen Osten üblich. Am Bekanntesten dürfte sicher die Geschichte von der großen Flut aus dem Alten Testament sein, von denen wir unlängst frühere und auch abweichende Versionen anderer Völker des Zweistromlandes kennen.

Ebenso sind eine Götterversammlung oder ein Götterrat und selbst eine „Rebellion der Astronautengötter“ aus der jüdisch-biblischen Mythologie und Überlieferung bekannt (s. a. hier). Diese Rebellion nennt man heute in der christlichen Welt „Fall der Engel“ bzw. sie sind weithin als die „gefallenen Engel“ bekannt. Bei einer dieser „himmlischen Ratsversammlungen“ der jüdisch-christlichen Welt, die im Buch Ijob und auch anderswo beschrieben wird, taucht denn auch Satan als Mitglied des Hofstaates Gottes unter den erschienenen Gottessöhnen auf. So heißt es bei Ijob 1,6:

Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan.

Der brennende Dornbusch und Moses nach Sébastien Burning: War es wirklich so? (Bild: gemeinfrei)
ARTIKEL: Der brennende Dornbusch und Moses: War es wirklich so – oder waren auch hier Astronautengötter am Werk? (Bild: gemeinfrei)

Die hier erwähnten „Söhne“ gehörten angeblich ebenfalls zu den gefallenen Engeln, „die sich – ihre himmlische Herkunft vergessend – mit den ,Töchtern der Menschen‘ verbanden“. So  Lurker, Manfred Lurker in seinem „Wörterbuch der biblischen Bilder und Symbole“ (Stuttgart 1973, S. 294). Und die weltberühmte „Neue Jerusalemer Bibel“ (Freiburg i. Br. 1985, S. 720) lässt keinen Zweifel:

Bei den ,Gottessöhnen‘ handelt es sich um Himmelswesen, die dem Menschen überlegen sind; sie bilden den Hofstaat Jahwes, seinen Kronrat. Sie werden mit den Engeln gleichgesetzt.

Meiner Überzeugung nach sind Parallelen zwischen Anunnaki, den Anunna, den Igigu und den „gefallenen Engeln“, „Wächtern des Himmels“, „Gottessöhnen“ der Bibel und der jüdischen Mythologie eindeutig. Auch im weltberühmten Schöpfungsepos „Enuma elisch“ (ca. 8. Jahrhundert vor Christus) der Babylonier aus Mesopotamien lesen wir auf der VI. Tafel:

Marduk, der König der Götter, teilte darauf die Götter: Eine Schar oben, die andere unten. 300 oben als Wächter des Himmels, Hüter von Anus Befehl, fünf mal sechzig unten als Wächter der Erde: 600 Götter zwischen Himmel und Erde.“

Im „Enuma elisch“ liegt noch eine weitere Parallele verborgen: Die VI. Tafel bemerkt nach den oben wiedergegebenen Aussagen unmissverständlich, dass die Anunnaki die „einst Gefallenen“ sind. Ein Vergleich der Anunnaki mit den biblischen „gefallenen Engel“, die gegen ihren Obersten rebellierten (so zum Beispiel in den Büchern Henoch beschrieben) oder sogar ihre Gleichsetzung, liegt demnach durchaus nahe. Himmlische Wesen (= sumerische Anunna), eine Rebellion dieser und Himmelswesen die ihre „Göttlichkeit“ damit verspielt haben und Erd- und/oder Unterweltgötter werden (= akkadische Anunnaki)…

Sehen wir uns im zweiten Teil also mal einige überlieferte Mythologien dieser „namenlosen Götterschar“ – wie es die Kritiker sagen – der Anunnaki & Co. an:

+++TEIL 2 HIER+++

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Lars A. Fischinger

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