Die eigentlich christliche Kirche Hagia Sophia in Istanbul in der Türkei sorgt derzeit für Schlagzeilen. der Prachtbau war rund 1.000 Jahre eine Kirche der Christen und teilweise das wichtigste Gotteshaus überhaupt. Bis zum Fall der Stadt 1453 durch die Eroberung durch Sultan Mehmed II., woraufhin die Kirche einige Jahrhunderte zu einer Moschee und ab 1934/35 zu einem Museum wurde. Bis heute, denn seit dem 24. Juli 2020 ist die Hagia Sophia auf Anordnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wieder eine Moschee. Trotz weltweiter Proteste, über die in den Medien vielfach berichtet wurde. Doch die prachtvolle Hagia Sophia hat auch hinter den Kulissen und ihrer wechselvollen Geschichte vieles zu bedienten. Und zwar Sagen, Legenden und Mythen, die sich um sie ranken. In diesem Beitrag erfahrt Ihr von diesen und von der Geschichte des Bauwerkes. Spannende Hintergründe, die in der aktuellen Berichterstattung der Medien keinen Platz fanden.
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Hagia Sophia – „Heilige Weisheit“
Als ich vor 30 Jahren erstmals in Istanbul an der prachtvollen Kirche Hagia Sophia (= „Heilige Weisheit“) stand, war ich als Teenager beeindruckt. Das änderte sich auch bei weiteren Besuchen Jahrzehnte später nicht. Zumal ganz Istanbul in der Türkei ein wundervolle Stadt ist, deren Besuch immer eine Reise wert ist. Kein Ort auf der Welt vereint so viel Geschichte der Antike, Spätantike, des Römischen Reiches und der Religionen, wie das heutige Istanbul.
Eine Stadt, die in der Grenzwissenschaft allerdings fast ausschließlich dafür bekannt ist, dass sich dort die legendäre Landkarte des Piri Reis befindet.
Stellvertretend für diese überaus bewegte Vergangenheit von Istanbul bzw. Konstantinopel, wie die Stadt ursprünglich hieß, steht am Bosporus die Kirche Hagia Sophia. Denn auch sie hat seit ihrer Grundsteinlegung im Jahr 532 nach Christus eine wechselvolle Geschichte erlebt. Gebaut als christliche Kirche auf den Resten ihrer Vorgänger wurde sie vielfach erweitert, umgebaut und renoviert und diente verschiedenen christlichen Konfektionen als Heiligtum. Sie war einstmals das Zentrum der Christenheit. Ein Bau mit außerordentlicher Symbolkraft.
Bis der Islam unter Sultan Mehmed II. die Stadt 1453 eroberte und sie tagelang seinen Truppen zur Plünderung freigab. Ein Gemetzel, das vor der Hagia Sophia nicht stoppte. In der Folge wurden im Inneren christliche Symbole, Bilder und Ausstattungen zerstört, gestohlen oder durch islamische Insignien des Glaubens ersetzt und überdeckt. Flüchtlinge innerhalb der Kirche wurden versklavt, geschändet und ermordet. Ein Vorgehen, dass nur einige Jahrzehnte später die Christen bei der Eroberung Amerikas geradezu „perfektionierten“.
Nach fast einem Jahrtausend christliche Kirche wurde die Hagia Sophia nach er Eroberung durch Mehmed II. zu einer Moschee. Ein erstes Minarett wurde noch im Jahr des Sieges an die ehemalige Kirche angebaut. Weitere folgten und so nahm der Prachtbau nach und nach seine heutige Gestalt an.
Die Hagia Sophia macht Schlagzeilen
Der Islam zerstörte im Inneren längst nicht alle Spuren ihrer ursprünglichen Bedeutung als eine der bedeutendsten christlichen Gotteshäuser der Welt. Bis heute finden sich in der Hagia Sophia (noch) christliche Reliefs, Bilder, Mosaike und ähnliches. Beispielsweise von Engeln, Jesus Christus oder der Mutter Maria. Teilweise wurden diese in späteren Zeiten allerdings wiederhergestellt, da sie nach der Umwandlung des Bauwerkes in eine Moschee lediglich übermalt oder mit Gips überdeckt wurden.
Einen einschneidenden Wendepunkt erlebte das Bauwerk am 24. November 1934: Die Regierung von Mustafa Kemal Atatürk, erster Präsident der Türkei, beschloss an diesem Tag die Hagia Sophia in ein Museum umfunktionieren. Daraufhin wurde die Kirche/Moschee als „Hagia-Sophia-Museum“ eröffnet und in ihrem Inneren fanden verschiedene Umbauten, Wiederherstellungen und Renovierungen statt. Sie wurde zu einem der wichtigsten und beliebtesten Ziele für Millionen von Besuchern aus aller Welt, die die Stadt am Bosporus jährlich besuchen.
Das änderte sich von einigen Tagen.
Trotz weltweiter Proteste ordnete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an, dass ab den 24. Juli 2020 die Hagia Sophia wieder als Moschee umfunktioniert werden solle. Viele sehen hier eine klare Verletzung der Trennung von Kirche und Staat und Kritiker werfen Erdogan vor, dass er die Türkei islamesiere. Auch die Minderheit der in der Türkei ansässigen Christen, vor allem der orthodoxen, sieht diesen Schritt mit Bedenken. Als verfolgte und unterdrückte Christen sehen auch sie diesen Schritt als Islamesierung.
Die Medien haben in diesen Tagen das Thema vielfach aufgriffen. Vor allem auch deshalb, da Erdogan symbolträchtig am ersten Gebet der „neuen“ Moschee gleich in der ersten Reihe teilnahm, und bereits einen Tage vorher sich Menschen dort versammelten. Der normale Medien- und Nachrichtenkonsument wird die Hagia Sophia zuvor wahrscheinlich nicht mal gekannt haben. Trotz ihrer überaus bedeutenden Geschichte für das Christentum und während des Zerfalls des letzte Reste des Römisches Reiches.
Sultan Mehmed II.
Die Geschichte des Gotteshauses ist sehr gut dokumentiert und erforscht. Es ist kein Monument aus der „dunklen Vorzeit“, sondern am 23. Februar 532 wurde dort der Grundstein als Römische Reichskiche gelegt. Diesen Zweck erfüllte die erste Kirche auch nach ihrer Eröffnung am 27. Dezember 537 für fast 500 Jahre, bis sie 1054 zu einer orthodoxen Kirche wurde. Nach rund 1.500 Jahren Bautätigkeiten kann man die heutige Moschee natürlich nicht mehr mit der ersten Ur-Kirche vergleichen.
Wie bei eigentlich jedem sakralen Bauwerk, so ranken sich aber auch um die geschichtsträchtige Hagia Sophia Mythen und Legenden. Das fängt eigentlich schon bei der Eroberung der Stadt durch Sultan Mehmed II. 1453 an. Historiker aus Europa behaupteten, dass der Eroberer hoch zu Pferd in die Kirche geritten sein soll. Als Symbol des Sieges über das Christentum und gleichzeitig als deutliches Zeichen der Entweihung der Hagia Sophia.
Ob das den Tatsachen entspricht, ist unklar. Der 1856 verstorbene österreichische Orientalist, Übersetzer und Diplomat Freiherr Joseph von Hammer-Purgstall nannte es in „Geschichte des Osmanischen Reiches“ (Bd. I, 1827) ein Märchen der europäischen Geschichtsschreiber.
Doch Märchen und Geschichten werden sich sehr zahlreich um die Hagia Sophia erzählt. Viele wurden von dem Reisenden Antony von Novgorod nach einer Reise in die Stadt im 13. Jahrhundert erst aufgezeichnet und dokumentiert.
Sagen und Legenden um die Hagia Sophia
Nach einer Erzählung soll kurz vor dem islamischen Einfall die Stadt von einem dichten Nebel eingeschlossen gewesen sein. Es dauert bis zum Abend, bis sich der undurchdringliche Nebel lichtete und dabei soll die Hagia Sophia plötzlich in einem rötlichen Licht getaucht gewesen sein. Der unheimliche Lichtschein stieg von der eindrucksvollen Kuppel hoch zu dem darauf stehenden Kreuz. Von da, so eine andere Version der Geschichte, stieg das rote Licht in den Himmel empor. Für die Christen war dies das Zeichen ihres kommendes Untergangs, da es als „Blut“ gedeutet wurde.
Eine andere Sage erzählt, dass schon der biblische König Salomon den späteren Bauplatz der Kirche in einem Gebet oder einer Vision vorhergesagt habe. Als „wahre Religion“ des biblischen Gottes sieht der Islam darin teilweise die Prophezeiung, dass ihnen die Hagia Sophia zustehe.
In einer islamischen Legende wird gesagt, dass heilige Erde und Wasser aus der Stadt Mekka zum Bau mit verwendet wurde. Hierzu existieren verschiedene Variationen der Legende, die alle zum Kern haben, dass der Prophet Mohammed durch seine wundersamen und göttlichen Kräfte oder Magie für den Kuppelbau verantwortlich ist. Seine „Wunderkraft“ habe damit die Hagia Sophia als späteres Gotteshaus des Islam vorherbestimmt.
Als Mehmed II. Konstantinopel eroberte und damit das Ende des osmanischen Imperiums einläutete, soll auch er eine wundersame Spur hinterlassen haben. Und zwar habe er, als er angeblich hoch zu Ross in die Kirche ritt, eine Marmorsäule berührt, auf der sich bis heute sein klar erkennbarer Handabdruck befindet (s. a. Video HIER).
Eine der beliebtesten Legenden der Christen sagt, dass am Tag der Eroberung sich während des Gottesdienstes in der Hagia Sophia ein Wunder ereignete. Der orthodoxe Patriarch sei durch dieses beim Eindringen der Osmanen in die Kirche während der Messe in einer Wand verschwunden, die sich plötzlich öffnete. Mit ihm verschwanden dort seine zeremoniellen Gegenstände. Etwas abgewandelt wird auch erzählt, dass der Geistliche in einer Geheimtür oder auch Seitentür verschwand. Erst an dem Tag, wenn die Stadt wieder christlich sein wird, komme der Patriarch wieder zum Vorschein, um seine Messe weiter zu führen und zu beenden.
Dazu gibt es eine ähnliche christliche Legende. Nach dieser überlebten zwei Mönche das Massaker der Muslime an den Christen und Einwohnern der Stadt, in dem sie oberhalb der Galerie in einer Wand verschwunden sind. Auch sie kehren wieder, wenn Konstantinopel bzw. Istanbul wieder christlich ist.
Auch einen „übersinnlichen Bewohner“ hat das Gotteshaus. Nach einer Legende lebt (oder lebte) nämlich ein Engel Gottes seit mindestens 900 Jahren in dem Gemäuern. „Auf der rechten Seite der Säule, wo der Bogen zur Kuppel aufsteigt“, ist sein Wohnsitz. Der Engel sei der Wächter der Hagia Sophia, der einst während Baumaßnahmen an dem Gebäude erschien. An diesem Tage, so die Legende, wurden die Arbeiten unterbrochen, da die Handwerker zum Kaiser gerufen wurden. Dabei erschien dem Vorarbeiter der Engel, „ein Junge“, der ihm sagte, dass er Wache halten werde, „so wie es mir vom Herrn befohlen wurde“.
Noch mehr Legenden
Orthodoxe Historiker notierten dazu auch eine Erzählung über das „Ende“ dieses Engels. Demnach kamen große Feuerflammen „aus der Kirche, schlossen sich zu einer Feuersäule zusammen und das daraus entstandene und unbeschreibliche Licht stieg in den Himmel hinauf“. Im Himmel angekommen „öffneten sich die Himmelstüren und das Licht verschwand dahinter“, was umgehend dem Kaiser berichtet wurde. Der Schutzengel habe nach 900 Jahren die Kirche verlassen und sei wieder in den Himmel aufgestiegen, so der Patriarch zum Herrscher. „Das bedeutet, dass Gott unsere Stadt schutzlos den Feinden überlässt.“ Nicht auszuschließen, dass hier eine Variation der Sage um das rote Licht, das kurz vor dem Fall der Stadt über die Kirchen-Kuppel in den Himmel stieg, erzählt wird (s. a. Artikel HIER).
Im Inneren der Hagia Sophia befindet sich eine Säule, die im unteren Bereich mit Kupferblech verkleidet ist. Der Legende nach erschien genau hier der Heilige Gregor einer Reihe von Besuchern, die daraufhin ein Wunder erfuhren. Nachdem der Islam die Kirche in eine Moschee umbaute, änderte sich auch die Bedeutung dieser Marmorsäule. Fortan erfüllt sie jedem, der seinen Daumen in ein Loch in der Säule und durch die Kupferverkleidung steckt und ihn einmal 360 Grad dreht, jeden Wunsch.
Die mächtigen Eingangstüren des sogenannten „Kaisertor“, durch das der Herrscher mit seinem Gefolge das Gotteshaus betrat, soll der Legende nach aus ganz besonderem Holz geschnitzt sein. Hiernach handelt es sich um Holz von der Arche Noah. Jenem biblisches Rettungsboot vor der Sintflut, dass im „Gebirge Ararat“ im Südosten der heutigen Türkei nach der Flut gestanden sein soll – und laut Legenden dort noch immer liegt.
Der byzantinische Kaiser Justinian I., der den Grundstein für die heutige Hagia Sophia legte, soll bei seinem Einzug durch das „Kaisertor“ am Tag der Eröffnung freudig und in aller Bescheidenheit ausgerufen haben: „Preis und Ehre sei Gott, der mich für würdig hielt, ein solches Werk zu vollenden. Salomon, ich habe dich übertroffen!“ Damit meinte er den legendären ersten Tempel von Jerusalem, den König Salomon als Herrscher für den Gott Israels und seine Bundeslade errichten ließ …
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Lars A. Fischinger
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