„Mythen sind Reportagen“, sagen Phantasten gerne. Als Jäger des Phantastischen sehe ich das durchaus ebenso. Und zu einigen dieser Mythen sollen bis heute greifbare Relikte erhalten sein. So auch der „Stab des Moses“ oder „Gottesstab“, mit dem er und sein Bruder Aaron laut Bibel Wunder vollbrachten. Dieser Stock soll noch immer in der Türkei existieren, denn laut dem Alten Testament wurde der Stab einst als Andenken in die legendäre Bundeslade gelegt. Aber, da die Maße der Lade Gottes überliefert sind, stellt sich hier die Frage: Passte der „Türkische Gottesstab“ überhaupt überhaupt in die Bundeslade? Ich habe mir den angeblich echten „Gottesstab“ der Bibel in Istanbul einmal genauer angesehen.
Moses Berufung
Im der Bibel steht beschrieben, dass (ein) Gott einen Mann mit Namen Moses nach Ägypten schickte, um dort das Volk der Hebräer aus der Knechtschaft zu befreien. Diese Berufung geschah während der wundersamen Begegnung des Moses am berühmten „brennenden Dornbusch“, wie es das Buch Exodus schildert. So wurde Moses, der im Lande Midiam als Flüchtling als Schafhirte lebte, vor Jahrtausenden als Befreier eines ganzen Volke von himmlischen Mächten auserwählt.
Und er wurde so durch die Bücher der Bibel zu einer der bekanntesten Personen, die wir darin antreffen.
Nach diesen Schriften war Moses mit dieser göttlichen Mission allerdings so gar nicht einverstanden. Er hielt sich für „unwürdig“ oder sogar „unfähig“. Persönlich nach Ägypten zum Pharao zu gehen, um dort Gottes Auftrag zu erledigen, erschien ihm laut Buch Exodus undenkbar. Immerhin war er einst von dort nach der Ermordung eines Ägyptens selber geflohen! Nun lebte er in der Fremde mit seiner Familie als Schafhirte und führte ein neues Leben.
Dass ihm dann ein Gott erschien und eine derartige Aufgabe fordertet, passte ihn nicht wirklich, wie es die Geschichte seiner Berufung überliefert.
Der Stab des Moses
Selbstverständlich gehört zu jedem guten Hirten auch ein Hirtenstab. So auch bei Moses. In der epochalen Berufungsgeschichte am „brennenden Dornbusch“ heißt es zu diesem Stab des Propheten zum Beispiel:
„Da antwortete Mose und sprach (Zum Herrn): Und wenn sie mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen? Der Herr sprach zu ihm: Was hast du in deiner Hand? Er sprach: Einen Stab! Da sprach er: Wirf ihn von dir auf die Erde! Und er warf ihn auf die Erde; da ward er zur Schlange.
Und Mose floh vor ihr. Aber der Herr sprach zu Mose: Strecke deine Hand aus und ergreife sie beim Schwanz! Da streckte er seine Hand aus und hielt sie. Und sie ward zum Stab in seiner Hand. (…) (Der Herr sagte:) Diesen Stab nimm in deine Hand! Mit ihm wirst du die Zeichen vollbringen.“ (Ex. 4,1-17)
Als Moses daraufhin nach Gottes Willen wieder nach Ägypten zog, um seine göttliche Mission zu erfüllen, hatte er den „Gottesstab“ – so nennt ihn die Bibel – in den Händen mit dabei (Ex. 4,20). Das sollte man auch erwarten, wenn der Herr es ihm schon persönlich befohlen hatte.
Mit Stock über Stein zurück nach Ägypten
Berühmt ist hier vor allem die Geschichte, wie der Stab sich vor den Augen des Pharao und seiner Magier in Ägypten in eine Schlange verwandeln konnte. Weniger jedoch, dass, wie oben gesehen, er diesen Zauber von Gott persönlich während seiner Berufung gezeigt bekam. Es war übrigens auch Aaron, der Bruder des Moses, der dieses Schlangenwunder mit dem Zauberstab vor den Augen des Pharao vollbrachte. Nicht Moses selber (z. B. Ex. 7,12).
In dem weltbekannten monumentalen Spielfilm „Die Zehn Gebote“ (1956) mit Charlton Heston als Moses wird sogar gezeigt, dass Moses den Stab von einem ägyptischen Prinzen selber bekommen haben soll. Eine Erfindung von Hollywood.
Aber Gleiches wie bei dem Schlangenwunder durch Aaron gilt auch bei den Plagen im Lande Ägypten, die den König dort zur Freilassung der Hebräer zwingen sollten (und letztlich auch zwangen). Zum Beispiel bei der „Mückenplage“, zu der wir im Alten Testament lesen:
„Da sprach der Herr zu Mose: Sage zu Aaron: Strecke deinen Stab aus und schlage den Staub auf der Erde, dass er in ganz Ägyptenland zu Mücken werde.“ (Ex. 8,16)
„Zauberstab“ in der Bundeslade
Auch die beliebte Darstellung, dass Moses beim Exodus aus Ägypten nur seinen Stab erhoben hat, um so einen trockenen Weg durch das Meer zu öffnen, ist eigentlich nicht unbedingt korrekt. Zwar hob er tatsächlich seinen Stab (eigentlich später: „streckte seine Hand“), aber noch im gleichen Vers (Ex. 14,21) erfahren wir, dass der Herr „die ganze Nacht“ den Wind schickte. um so das Wasser beim Meerwunder zu teilen.
Im weiteren Verlauf des Exodus spielt der Zauberstab immer wieder eine Rolle, was hier jedoch nicht von Interesse sein soll.
Spannend wird es jedoch im 4. Buch Moses (Kapitel 17): Gott sagt dort zu Moses, dass er von jedem der 12. Stämme der Kinder Israels einen Stab nehmen und diese vor die Bundeslade legen soll. Auch den Stab Aarons. Jener Stab, der dann neue Triebe austreiben würde, den habe der Herr auserwählt. So sagt es die Bibel. Und, oh Wunder, es war der Stab des Aaron. Er hatte frische Blüten, schlug Wurzeln und trug sogar „reife Mandeln“ (Lev. 14,8).
Studieren wir die Bibel weiter erfahren wir, dass dieser Stab des Aaron in die Bundeslade hinein gelegt wurde. Etwa heißt es in Hebräer, Kapitel 9, Vers 4:
„(…) und die Bundeslade, allenthalben mit Gold überzogen, und in dieser war der goldene Krug mit dem Manna und die Rute Aarons, die geblüht hatte, und die Tafeln des Bundes.“
Dieser Vers (und ein anderer) ist es übrigens auch, der in dem Bundeslade-Abenteuer-Kinofilm von „Indiana Jones“ zu der Aussage führte, dass die Tafeln mit den zehn Geboten in der Lade liegen.
Manna stinkt
Einen „Krug mit dem Manna“?
Das ist schon sehr komisch: Manna war laut dem Alten Testament eine wundersame Speise Gottes, die die Hebräer beim Exodus aßen. Beim „Manna-Wunder“ im Buch Exodus (Kapitel 16) steht, das Moses seinen Bruder angewiesen habe, dass ein Krug mit dieser göttlichen Speise in die Bundeslade zu tun sei. Als Erinnerung an das Wunder für die Nachkommenschaft (Ex. 16,32-34). Ein „Gomer“ Manna soll in diesem Krug gewesen sein, was rund vier Litern entspricht.
Auch hier ein Fall zum „Erbsen zählen“. Denn sonderbar ist nämlich dabei nicht nur, dass Vers 20 klar sagt, Manna sei nach einem Tag schlecht und stinkt, sondern auch, dass die Bundeslade zu dieser Zeit laut Bibeltext noch überhaupt nicht existiert haben soll. Sie wurde angeblich erst später beim Exodus nach einem Modell Gottes am heiligen Berg gebaut. Dort, wo es auch die Zehn Gebote gab, die dann in die Lade gelegt worden sein sollen.
Also eine Bundeslade in der Bibel, bevor sie laut dem Buch Exodus überhaupt gezimmert wurde. Mehr dazu im ersten Mystery Files-Video unten.
Offenbar vergaßen die Bibelautoren an dieser Stelle auch, dass Manna für zukünftige Generationen gar nicht aufbewahrt werden konnte. Das himmlische Nahrungsmittel wäre nach einem Tag in der Lade angefangen zu stinken. Es sei denn, dass die „göttliche Macht“ der Heiligen Lade für eine Art Konservierung dieses Manna gesorgt hätte.
Einfach phantastisch!
Das Thema Bundeslade und die Mysterien der Bibel an sich finde ich seit Anbeginn meiner Beschäftigung mit den Rätseln der Welt mehr als spannend. Das zeigt auch mein zweites Sachbuch zu diesen Themen von 2015. Und darum habe ich bereits 1997 in meinem Buch „Götter der Sterne: Bibel, Mythen und kosmische Besucher“ dem Thema Lade Gottes zwei umfangreiche Kapitel gewidmet.
Deshalb stand bei einer früheren Reise nach Istanbul in der Türkei wieder ein Besuch des berühmten Topkapi-Palast auf dem Plan. Dort finden sich neben vielen wundervollen Schätzen auch heilige Reliquien der Muslime – von Barthaaren des Mohammed bis zu einigen Waffen von ihm. Ähnlich wie das christliche Abendland voller heiliger Reliquien aus dem Mittelalter ist. Auch die in der Prä-Astronautik berühmte Weltkarte des Piri Reis befindet sich dort.
Aber es findet sich in diesem Palast auch jener angeblich „echte“ Wunderstab, den Moses bei seiner Berufung am brennenden Dornbusch bekam (oder der von Gott dort „verzaubert“ wurde). Auch wenn laut Bibel der Stab Aarons in die Lade gelegt wurde, wie oben zitiert. Nicht der des Moses.
Jedoch nennt der Koran (7. Sure, Vers 107) beim „Schlangenwunder“ vor dem Pharao auch den Stab/Stock des Mose. Zumindest aber soll in Istanbul einer dieser Stäbe bis heute, Jahrtausende nach dem Auszug der Hebräer, zu bestaunen sein. Das Thema Reliquien, gleich welcher Religion, ist aber immer so eine Sache. Von „Heikel“ über „Heilig“ bis „Humbug“ ist hier ohne Zweifel alles zu finden.
Passt nicht in die Bundeslade – oder doch?
Da die Bundeslade laut dem Buch Exodus (25,10) 2,5 Ellen lang und 1,5 Ellen hoch und breit gewesen sein soll – fand ich es spannend, mal in Istanbul nachzusehen, ob denn der Stab des Aaron und/oder Moses überhaupt in die Lade des Bundes gepasst hätte. So, wie es die Bibel überliefert hat. Vorausgesetzt natürlich, dass in Istanbul auch eine echte Reliquie liegt und das Objekt dort wirklich vom Exodus stammt.
Denn nicht nur die einstige Existenz von Moses und Aaron selbst ist alles andere als gesichert, sondern auch der Auszug der Hebräer an sich.
Grob gesagt war eine Elle 45 Zentimeter lang und damit wäre die Bundeslade 1,125 x 0,675 x 0,675 Meter groß gewesen. Vor Ort in der Türkei sieht man schnell, dass der dort als Stab des Moses hinter dickem Panzerglas ausgestellte dünne Ast kaum in die Lade gepasst hätte. Auch sieht er nicht gerade wie ein typischer Hirtenstab des Nahen Ostens aus (Moses war Schafhirte bei seiner Berufung). Dazu gleich mehr.
Jedoch ist mir die exakte Länge des ausgestellten Stabes unbekannt. Augenscheinlich aber ist er zu groß. Ebenso ist natürlich die exakte Größe der Lade Gottes unsicher. „Augenscheinlich“ ist allerdings alles, nur keine exakte Angabe. Hunderte jüdische, christliche und muslimische Reliquien liegen in der Schatzkammer des Tapkapi-Palastes. Da öffnet niemand mal eben eine Vitrine, damit ein Neugieriger dieses oder jenes ausmessen kann.
Doch 2004 erschien der ebenso teure wie prächtige Band „The Sacred Trusts: Pavilion of the Sacred Relics, Topkapı Palace Museum, Istanbul“ von Hilmi Aydın, in dem die dortigen Kostbarkeiten in Word und Bild beschrieben werden. „Sein Holzstab ist 122 cm lang“, heißt es dort auf Seite 144 zum biblischen „Gottesstab“ in Istanbul beiläufig.
Eine Frage der Elle und Erbsenzählerei
Mit dieser konkreten Angabe des hölzernen Artefaktes aus dem „Pavillon der Heiligen Reliquien“ kann man mehr oder weniger leicht die Behauptungen überprüfen.
Bei einer Elle von 45 Zentimetern, wäre die Bundeslade – wie erwähnt – nur 1,125 Meter lang. Und damit zu klein für den Stab in Istanbul.
Da aber das Längenmaß Elle in der Vergangenheit oftmals überaus unterschiedlich sein konnte, sind diese Angaben heute kaum mehr nachvollziehbar. Selbst in Deutschland wurden dutzende unterschiedliche Ellenmaße genutzt. In Bayern beispielsweise eine, die über 83 Zentimeter maß.
In Mesopotamien wiederum gab es vor Jahrtausenden eine „Nippur-Elle“ von 52 Zentimetern. Im Alten Ägypten eine „normale“ oder auch „geringe“ Elle von 45 Zentimetern und eine „königliche Elle“ von 52 Zentimetern. Solche Abweichungen machen es nicht nur bei der Bundeslade schwer, ihre extra Größe zu bestimmen, sondern auch bei der Arche Noah. Deshalb verweise ich seit Jahrzehnten darauf, dass man bei biblischen Angaben einfach 50 Zentimeter als „Mittelmaß“ annehmen kann oder sollte. Denn vor allem hier ist es nicht immer klar, welche Elle als Grundlage in den dortigen Erzählungen diente.
Bei 50 Zentimetern Länge einer Elle wäre die Lade Gottes folglich 125 Zentimeter (= 1,25 Meter) lang gewesen. Der Moses-Stab aus Istanbul mit 1,22 Metern Länge hätte darin also Platz gefunden, wenn die Seitenwände inklusive Goldbezug jeweils nur 1,5 Zentimeter dick gewesen wären. Was recht dünnwandig für ein solches Heiligtum erscheint. Zumal sich im Inneren noch mehr befand.
Vor allem die Steintafeln mit den Zehn Geboten in vierfacher Ausfertigung. Denn auch die ersten beiden Tafeln, die Moses vor Wut aufgrund des Vorfalles mit dem Goldenen Kalb zerstörte, sollen nach der Tradition des Talmud in die Lade gelegt worden sein. Tatsächlich wird im babylonischen Talmud seitenlang darüber diskutiert, wie groß diese Tafeln waren, wie und wie herum sie in die Lade gelegt wurden und wie viel Platz jeweils zu den Seiten blieb. Ebenso, ob noch noch Raum genug für die anderen Kostbarkeiten vorhanden war (s. a. zweites Video unten).
Doch legen wir eine „königliche Elle“ aus Ägypten zugrunde – wohl auch gerade angemessen für den Schrein Gottes -, hätte der Kasten 130 Zentimeter an seiner Längsseite gemessen. Genug Platz für den Wunderstab des Exodus und für dickeres Holz. Zumal man ihn ja auch quer in die Lade legen konnte …
„Nordic Walking“ in der Bibel
Das sind spitzfindige Berechnungen, keine Frage. Dennoch ist es durchaus verblüffend, dass in Istanbul ein dünner Stock als der Stab des Moses und/oder Aaron präsentiert wird, der eigentlich nicht mehr als ein langer Ast ist. Eine Reliquie, die eine jahrhundertelange Tradition hat, aber nicht im Geringsten nach dem Stab eines Hirten aussieht. Auch nicht nach dem, was fromme Bibelmaler als Moses-Stab den Propheten meistens in die Hand gegeben haben.
Doch genau darum könnte dieser durchaus in die Bundeslade gepasst haben, wie es die Bibel behauptet. Ein mutmaßlicher Fälscher der Reliquie scheint das offenbar beachtet zu haben, als dieser einen solchen Ast als „echtes Artefakt“ präsentierte. Oder es geschah unabsichtlich und ist reiner Zufall, dass es mit biblische Angaben übereinstimmen könnte. Immerhin sind 122 Zentimeter Länge dieses filigranen Stockes nicht vergleichbar mit „klassischen Stäben“ von Heiligen oder Hirten. Man denke an den klischeehaften Stock des „Nikolaus“.
Moderne Wanderstäbe für das bekannte „Nordic Walking“ entsprechen teilweise dem „Gottesstab“. Auch wenn ihre Längen natürlich sehr variieren können. Doch das Artefakt in Istanbul ist offenkundig mehr als zerbrechlich. Dass eine solche Reliquie die Jahrtausende überstanden haben soll, erscheint fragwürdig. Zumal noch heute sehr deutlich an einem Ende ein kleiner Astvorsatz vom Stab absteht.
Auch wäre es spannend zu erfahren, aus welchem Holz diese Reliquie besteht. Immerhin soll der Stab, wie weiter oben zitiert, aus Mandelholz gewesen sein. Von einer C14-Datierung der heiligen Reliquie ganz zu schweigen. Es ist immer heikel Reliquien auf ihre Authentizität hin zu überprüfen. Immer bleiben Fragen über ihre Herkunft, über ihr Alter oder schlicht und einfach über ihren Sinn.
Man denke an kuriose und zum Teil bizarre Reliquien wie „Finsternis aus Ägypten“, die Windeln Jesus Christus oder sogar seine Vorhaut. Und natürlich an das Grabtuch von Turin, den Schleier von Manoppello und auch die Tilma von Guadalalupe …
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Euer Jäger des Phantastischen
Lars A. Fischinger
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(Eine erste Version dieses Beitrages erschien bereits am 11. Februar 2013 auf diesem Blog.)