„Propheten“ waren nicht nur greise Männer mit langen Bärten, die die Bücher der Bibel vor Jahrtausenden geschrieben haben. Menschen, die angeblich im „Namen Gottes“ oder einer anderen „Macht“ handelten, gab es schon immer. Bis heute. Und einige werden – meistens von der Nachwelt – als Propheten bezeichnet. Einer von ihnen war der Apokalyptiker Christoph Kotter aus Langenau bei Görlitz, der 1616 unverhofft von einem „Engel“ zum Sprachrohr des Himmels berufen worden sein soll. Und seine „Visionen“ werfen heute mehr denn je Fragen auf. Warum erfahrt Ihr hier.
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Propheten als Mittler „fremder Mächte“
Bei dem Wort „Propheten“ denken die allermeisten Menschen sicher an greise Männer mit langen Bärten, die die Bücher der Bibel geschrieben haben. Menschen, die vor tausenden von Jahren lebten und „im Namen Gottes“ handelten. Ein klarer Irrtum!
Propheten gab es nicht nur in biblischen Zeiten, sondern sie gab es durch die Jahrhunderte hinweg. Und es gibt sie durchaus bis heute. Ob sie sich selber so nannten, ihre Anhänger oder Kritiker sie so bezeichnen, die Nachwelt ihnen diesen „Titel“ verlieh, spielt dabei keine Rolle. Auch nicht, ob sie „echte“ oder „falsche“ Propheten waren oder sind.
Die Grundeinstellung solcher Propheten selber ist jedoch seit tausenden von Jahren gleich geblieben. Sie glauben oder behaupten, dass sie in Namen einer „hören Macht“ sprechen und handeln. Hierbei ist diese „Macht“ an sich eine Variable. Von „Gott“/„Göttern“, „Außerirdischen“ bis „Satan“ kann hier nahezu alles eingesetzt werden.
Ein solcher Prophet war Christoph Kotter, der 1585 in Langenau bei Görlitz geboren wurde. Heute die Stadt Piensk im Westen von Polen an der Grenze zu Deutschland. Kotter war ein einfacher Mann, der im nur wenige Kilometer entfernten Görlitz den Beruf des Gerbers erlernte. Nach seiner Ausbildung lebte und arbeitete er als Gerber in Sprottau, dem polnischen Szprotawa.
Ein unspektakuläres Leben in den schweren Jahren des dreißigjährigen Krieges in der Provinz. Das änderte sich schlagartig, als Kotter bereits 31 Jahre alt war.
Der „Engel“ des Christoph Kotter
Am 11. Juni 1616 war er in Richtung Görlitz unterwegs, als ihm plötzlich wie aus dem Nichts ein „Engel“ des Himmels erscheint. Der Beginn einer ganzen Reihe von Visionen bzw. Begegnungen mit diesem Himmelsboten. Ein Engel, der überaus ungewöhnlich ausgesehen haben soll. Zumindest nicht wie ein Engel, wie man sich ihn heute gerne vorstellt:
„(…) eine Person in gestalt eines Hammermanns / in einem grawen Rock / vnd schwarzen Stieffeln / (…) eine schöne Person / vnd lieblich anzusehen.„
Ein „Hammermann“ war ein Bergmann. Auch wenn das nicht gerade nach einem „klassischen Engel“ klingt, verlangte die Erscheinung von Kotter, dass er fortan durch das Land ziehen und predigen solle. Apokalyptische Botschaften von einem Strafgericht und die Aufforderung zur Buße vor Gott, langen dem Engel auf dem Herzen.
Hierzu fehlte Kötter scheinbar aber die Motivation, da er sich weigerte, diese Mission anzunehmen. Er schien die himmlische Erscheinung offenbar nicht ernst genommen zu haben. Der Himmelsbote indes nahm seine Mission sehr ernst, denn nach mehrmaligen Erscheinungen und Drohungen gab Kotter schließlich nach. Er begann zu predigen und wurde zum Propheten.
Christoph Kotter zog fortan durch das Land und verbreitete seine Botschaften. Mehrfach kontaktierte ihn während seiner Tätigkeit als Wanderprediger auch der Engel erneut. Mit seltsamen Folgen: Nach jedem Treffen mit seinem himmlischen Lehrmeister, fand sich Kotter an fremden Orten wieder. Nicht selten lagen diese kilometerweit von seinem vorherigen Standort entfernt in der Fremde. Wie kam er dahin, wird er sich wohl jedes mal selber gefragt haben.
Himmlische Botschaften
Kotters Visionen, Mahnungen und Prophezeiungen fanden im 17. Jahrhundert immer mehr Verbreitung. Schon 1623 erschien ein erstes Flugblatt in Deutsch. 1632 erschien eine ganze Sammlung seiner Weissagungen und selbst 1664 erschienen seine gesammelten Aussagen noch in London und Amsterdam.
Da lebte der Prophet Kotter längst nicht mehr. Seine angeblich vom Himmel stammenden Visionen und Mahnreden brachten ihm nichts als Ärger ein. Sie wurden als Kampf zwischen den katholischen und protestantischen Glauben im dreißigjährigen Krieg gedeutet. Die Aussagen wurden demnach auch immer politischer.
Deshalb landete er bereits 1625 für einige Monate im Kerker, als er eine Prophezeiung vom 25. August 1622 verbreitete, die sich gegen das Haus Habsburg richteten. Darin wurde dessen Niederlage geweissagt. „Der Sinn der Vision ist eindeutig“, so Wilhelm Schmidt-Biggemann in „Apokalypse und Millenarismus im Dreißigjährigen Krieg“ („1648: Krieg und Frieden in Europa“, Bd. 1, 1998)
So wurde Kotter nach seiner Kerkerhaft an den Pranger gestellt und verbannt. Er floh und äußerte fortan keine einzige Prophezeiung mehr. Arm, krank und von Hunger gezeichnet starb er 1647. Dass er bei seiner ersten Begegnung mit dem Engel keine Lust hatte als Prophet tätig zu werden, kann man so durchaus verstehen. Gerade in diesen Jahren des Krieges der Konfessionen.
Ein „religiöser Psychopath“?
Die Drohung des Himmlischen, dass er seinen Namen „aus dem Buch des Lebens löschen“ werde, wenn er die Mission verweigere, zeigte Wirkung. Interessant ist dabei auch der Umstand, der Kotter seien Visionen immer von diesem seltsamen Engel bekommen haben will. Nie von Jesus Christus oder Gott selber, wie es bei Katholiken eigentlich „üblich“ ist. Auf diesem Umstand verwies schon 1993 der Mystery-Autor Ulrich Magin in seinem Buch „Trolle, Yetis, Tatzelwürmer“. Ebenso darauf, dass Kotter „zahlenmystische Abhandlungen und astronomische Legenden“ schrieb, die durch Abschriften in mehreren Ländern Veröffentlichungen fanden.
Was sollte dieser vom Himmel gekommene Botschafter des Herrn sich dabei gedacht haben? War Kotter ein „Träumer“, „Visionär“ oder nur ein „religiöser Psychopath“? Ein „frommer Spinner“? Erhielt er seine Prophezeiungen in einer Art psychologischen Ausnahmezustand, während derer er kilometerweit durch die Gegend lief, ohne sich danach an den Wanderung zu erinnern? So deutet es zumindest der Folklorist Will-Erich Peuckert.
„Psychopathische ‚Reisen ins Dämmerreich‘“ habe Kotter erlebt, so Peuckert im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“. Denn bis in diese berühmte 10-bändige Enzyklopädie (Bd. VI. und IX.) hat es Kotter mit seinen mutmaßlichen Halluzinationen geschafft. Sie erschien bereits zwischen 1927 und 1942.
Psychologische Streiche des Gehirns?
Was ist von diesen Visionen und vor allem Ortsversetzungen zu halten, die Kotter widerfahren sein sollen? Stehen sie mit UFO-Entführungen in Zusammenhang, wie sich beispielsweise der UFO-Forscher Dr. Johannes Fiebag in seinem Buch „Die Anderen“ 1993 fragte.
Auch Ulrich Magin sieht durchaus eine Verbindung mit dem „modernen“ UFO-Phänomen der Entführungen. Er ist jedoch der Meinung, dass bei Kotter ebenso psychologische Ursachen vorliegen, wie bei angeblichen Entführungen durch Außerirdische. Beides wäre demnach eine Kopfsache, bei denen das Gehirn Streiche spielt. Magin schreibt in seinem Buch „Trolle, Yetis, Tatzelwürmer“ unter anderem dazu:
„Bei diesem Fall zeigt sich, was auf Visionen religiöser Natur allgemein zutrifft: sie sind kaum unterscheidbar von heutigen Begegnungen mit Außerirdischen und angeblichen Entführungen durch sie. Aus einem einsamen Weg verliert ein Zeuge das Bewusstsein; als er sich später zu erinnern glaubt oder versucht, den Zeitverlust zu rekonstruieren, entsteht eine Geschichte von einem Kontakt zu übernatürlichen Wesen, die den Wahrnehmer in ein anderes Land oder eine andere Wirklichkeit getragen haben, wo der Zeuge Botschaften hört, die er weitergeben soll. Die Begegnung macht ihn zum ‚Auserwählten‘.“
Von der Hand zu weisen ist es nicht, das „religiöse Visionen“ und „Alien-Begegnungen“ klare Parallelen zeigen. Das gilt auch für Begegnungen mit fremden Wesen wie Zwerge, Elfen, Feen oder Trolle, von den Märchen und Sagen erzählen. In verschiedenen Büchern habe ich diese Ähnlichkeiten und mutmaßlichen Zusammenhänge mehrfach dargelegt.
UFOs und religiöse Visionen
Im Fall Kotter wäre es demnach so, dass er während seiner Visionen und dem Empfang der himmlischen Botschaften des Engels geradezu in Trance durch die Landschaft lief. Das kann sein, nur wird es wird niemand mehr mit Gewissheit nachprüfen können.
Ähnlichkeiten und gleiche Kerne bedeuten aber nicht gleich, dass sie real und physisch sind und waren. Dennoch kann man nicht ausschließen, dass in ihrer Substanz gleiche Erlebnisse und Erzählungen eben ganz einfach auch auf gleiche Erfahrungen beruhen. Nämlich den Kontakt mit realen „fremden Wesen“. Was diese dann wiederum mit solchen Kontakten bezwecken wollten, darüber streiten sich UFO-Forscher und Mystery-Jäger.
Und wäre Kotter tatsächlich nur einer spirituellen Halluzination und damit einem psychologischen Ausnahmezustand erlegen: Warum hat ihn scheinbar niemand bei diesen „visionellen Wanderungen“ gesehen? Zumindest liegen solche Zeugenaussagen nicht vor. Niemand scheint ihm begegnet zu sein, als er geradezu „high“ während seiner Erfahrungen durch die Gegend streifte. Oder, ganz anders, hat Kotter schlicht und einfach gelogen?
Die Geschichte Kotters ist wohl niemals eindeutig zu erklären.
Euer Jäger des Phantastischen
Lars A. Fischinger
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